A 20: Bremervördes Bürgermeister Fischer im Faktencheck
Offener Brief der Schutzgemeinschaft ländlicher Raum Nord-West e. V.

Die „Bremervörder Zeitung“ veröffentlichte heute einen Offenen Brief, den Manfred Schuster, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft ländlicher Raum Nord-West e. V., an Bremervördes Bürgermeister Detlev Fischer (CDU) adressiert hat.

In dem Offenen Brief werden Aussagen Fischers zur Verkehrssituation in Bremervörde einem Faktencheck unterzogen.

Worum geht es?

Der Bürgermeister hatte sich kürzlich in einem Artikel über die EU-Beschwerde der Initiativen gegen die A 20 dahingehend geäußert, dass die A 20 für die Entlastung der Bremervörder Ortsdurchfahrt unerlässlich sei, da der Anteil des Schwerlastverkehrs in Bremervörde ein Drittel der Gesamtverkehrsmenge ausmache.

Die Schutzgemeinschaft sowie die Bürgerinitiativen hingegen plädieren für den Bau von Ortsumgehungen als mögliche und vernünftige Alternativen zum Bau der Autobahn. Sie untermauern ihre Ansicht mit nachprüfbaren und solide belegten Verkehrszahlen.

Der Artikel, der den Anlass für den Faktencheck gegeben hat, war am 4.1.2017 in der „Bremervörder Zeitung“ sowie online im „Stader/Buxtehuder/Altländer Tageblatt“ erschienen.

Der Offene Brief der Schutzgemeinschaft ländlicher Raum Nord-West e. V. lautet:

Schutzgemeinschaft Logo

Sehr geehrter Herr Fischer,

die „Bremervörder Zeitung“ sowie die Online-Ausgabe des „Tageblattes“ berichteten am 4.1.2017 über die Beschwerde zum Bundesverkehrswegeplan 2030, die der Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20 (KOK) bei der EU-Kommission eingereicht hat. In den Beiträgen der beiden Zeitungen wird nicht erwähnt, dass auch die Schutzgemeinschaft ländlicher Raum Nord-West e. V. zusammen mit dem KOK die Beschwerde eingereicht hat.

Deshalb nehmen wir als Vertreter des Vereins Stellung zu Ihren aus dem Artikel hervorgehenden Äußerungen.

In diesem Artikel wird unter anderem die Verkehrssituation in Bremervörde thematisiert. Wir begrüßen jedes ernsthafte Bemühen um die Lösung der Verkehrsprobleme, die in der Ortsdurchfahrt Bremervörde bestehen. Um eine gute Lösung zu finden, ist jedoch die umfassende Ermittlung, Beschreibung und Bewertung vernünftiger Alternativen unerlässlich. Diese wird auch vom Gesetz so gefordert.

Um so mehr würden wir es auch begrüßen, wenn in der öffentlichen Diskussion um die A 20 nicht Vermutungen, sondern Fakten im Vordergrund stünden. Nur dann haben die Menschen in Bremervörde und die Öffentlichkeit insgesamt die Möglichkeit, sich eine wohl erwogene und begründete Meinung zur Notwendigkeit dieser Autobahn bzw. zu durchaus möglichen Alternativen zu bilden.

So haben wir einige der Aussagen des Artikels einem Faktencheck unterzogen.

Sie werden dahingehend zitiert, dass „bei mehr als 20.000 Fahrzeugen“, die täglich durch Bremervörde fahren würden, „jedes dritte Fahrzeug“ dem Schwerlastverkehr zuzurechnen sei.

Mithin müsste der Lkw-Anteil in der Ortsdurchfahrt Bremervörde bei 33,3% liegen. Ausweislich der Straßenverkehrszählung (SVZ) 2010, deren Ergebnisse auf der Homepage der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr einsehbar sind, war der Anteil des Schwerlastverkehrs in der Ortsdurchfahrt Bremervörde im Jahr 2010 indes deutlich niedriger zu veranschlagen: Er lag nicht bei 33,3%, sondern bei 12,6% bis 7%. Dies erscheint insbesondere insofern bedenkenswert, als Sie selbst darauf hinweisen, dass „nicht nur die Anzahl der Fahrzeuge zu berücksichtigen“ sei, „sondern auch deren Größe“.

Hinzu kommt, dass aktuell auch auf der Homepage der Stadt Bremervörde unter dem Punkt „Stadt- und Verkehrsentwicklung“ Zahlen angegeben werden, die den Zahlen der SVZ 2010 entsprechen: Laut der Stadt Bremervörde liegt der Lkw-Anteil bei 13,3% bzw. bei 8,3% und nicht bei einem Drittel.

Ferner kommen Sie auf die „zahlreichen Transporter von Bremerhaven in Richtung Stade und umgekehrt“ zu sprechen.

Zwischen Oerel und Bremervörde waren laut SVZ 2010 auf der B 71 täglich 8.900 Kfz, davon 1.100 Lkw, unterwegs. Zwischen Bremervörde und Stade fuhren laut SVZ 2010 auf der B 74 täglich 8.100 Kfz, davon 500 Lkw. Hier lag der Anteil des Schwerlastverkehrs faktisch also bei rund 12,3 bzw. 6 %. Ähnliche Zahlen wurden auch im Jahr 2015 erhoben, wie den Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen für die Zählstelle Glinde zu entnehmen ist. Wir weisen darauf hin, dass diese Verkehrszahlen bei weitem nicht ausreichen, um einen Autobahnneubau zu begründen – dazu müssten die Bundesstraßen mit mindestens 18.000 Kfz pro Tag belastet sein.

Betrachtet man die von der SVZ ermitteltenVerkehrszahlen für die Stadt Bremervörde und der umliegenden Zählpunkte in der Gesamtheit, kann man feststellen, dass sich der Verkehr im Stadtgebiet überwiegend aus dem Ziel-, Quell- und innerstädtischem Verkehr speist, nämlich zu rund 86 %.

Anders als bei ortsnahen Umgehungen wird durch den Bau von Autobahnen auch immer zusätzlicher Verkehr induziert. Das wurde, speziell auf Bremervörde bezogen, bei der Vorstellung der Vorzugstrasse vor einigen Jahren, bei der Ihr Amtsvorgänger Eduard Gummich anwesend war, von dem Mitarbeiter des Planungsbüros SSP Consult ausdrücklich bestätigt. Mit anderen Worten: Durch die Autobahn steigt die Verkehrsbelastung von Bremervörde.

Schließlich werden Sie mit den Worten zitiert, dass eine Nordumgehung Bremervörde hinsichtlich der „Natur- und Umweltbelastung“ die gleichen Konsequenzen hätte wie der Bau der A 20. Dazu verweisen wir hier nur auf die Unterlagen des Bundesverkehrsministeriums (z. B. auf das Projektinformationssystem PRINS), aus denen zu entnehmen ist, dass der durch den Bau der A 20 entstehende Umweltschaden sich auf 760,23 Mio. Euro beläuft. Damit ist die A 20 das mit Abstand umweltschädlichste Projekt des gesamten Bundesverkehrswegeplans. Es ist unstrittig, dass der Bau von Ortsumgehungen bzw. der Ausbau vorhandener Bundesstraßen deutlich schonender für die Umwelt ist als ein Autobahnneubau.

Abschließend möchten wir bemerken, dass Bremervörde schon längst  eine vollständige kleinräumige Umgehung hätte haben können zum Wohle seiner Bürger. Dass solches möglich ist, zeigt das Beispiel Beverstedt.

Mit freundlichen Grüßen

Für den Vorstand

Manfred Schuster

(Vorsitzender)

Eine kurze Schlussbemerkung meinerseits:

Zeitungsleser auf der westlichen Weserseite – also im Haupteinzugsbereich eines der führenden  parteiischen Blätter des Nordwestens – werden es fast schon mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, dass es auf der östlichen Weserseite offensichtlich Zeitungen gibt, die ihren Informationsjob ernst nehmen und auch kritischen Stimmen zur A 20 in vollem Umfang Raum geben.

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