Welche Auswirkungen hat die A 20 auf den Verkehr in der Gemeinde Jade?
Aktuelle Zahlen aus dem Bundesverkehrsministerium

Die geplante Autobahn A 20 soll, so sagt man, die B 437 und die Landesstraße 862 – also die Ortsdurchfahrten durch Diekmannshausen, Schweiburg, Jaderberg und Jade – entlasten. Vor allem der Lkw-Verkehr soll, so sagt man, nicht mehr über die Bundes- bzw. die Landesstraße fließen, sondern auf die Autobahn verlagert werden.

Die „Verkehrsuntersuchung für die Küstenautobahn A 20“[1] aus dem Jahr 2012, in Auftrag gegeben von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV), hat sich sehr bemüht, diesen positiven Entlastungseffekt nachzuweisen. Leider vergeblich.

Im März 2016 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) nämlich aktuelle Zahlen und Prognosen veröffentlicht.

Nun kann man mit der alten Verkehrsuntersuchung der Planungsbehörde mitsamt ihrer kunstvoll herbeigerechneten Entlastungswirkung nur noch eines anfangen: Man kann sie getrost wegschmeißen. Sie geht von völlig falschen Voraussetzungen aus und ist sagenhaft falsch. Schade um die Steuergelder, mit denen diese Verkehrsuntersuchung 2012 finanziert worden ist …

Die aktuellen Zahlen aus dem BMVI kommen der Realität wohl deutlich näher.

Weniger Lkw-Verkehr auf der B 437, also auf den Ortsdurchfahrten Diekmannshausen und Schweiburg?

Ohne die A 20 werden im Jahr 2030 auf der B 437 von Schweiburg bis Varel täglich 2.000 Lkw unterwegs sein.[2]

Und mit der A 20?

Ja, mit der A 20 werden auf der B 437 von Schweiburg bis Varel täglich – auch 2.000 Lkw unterwegs sein.[3]

Entlastungswirkung der A 20: Null.

Weniger Lkw-Verkehr auf der L 862, also auf den Ortsdurchfahrten in Jade und Jaderberg?

Die A 20 hat auf den Schwerverkehr, der im Jahr 2030 täglich auf der L 862 unterwegs sein wird, keinerlei nennenswerte Auswirkungen. Man kann die entsprechende Karte, die im Internet einsehbar ist, so lange anschauen, wie man will[4] – von einer maßgeblichen Entlastungswirkung der A 20 ist nur eins zu sehen: Nichts.

Im Hinblick auf eine Entlastung vom Schwerverkehr kann die A 20 die Einwohner von Jade und Jaderberg also nur enttäuschen. Eine zusätzliche Verkehrsbelastung hat die A 20 hingegen durchaus im Angebot: Der Verkehr, der durch den Bau des ammerländischen Autobahnabschnitts hervorgerufen werden wird, kann sich dramatisch auf die Situation in Jaderberg und Jade auswirken. Ein Autor mit dem Kürzel „UN“ hat dies kürzlich sehr anschaulich im Jader „Gemeindeboten“ geschildert:

„Darauf freuen sich schon alle Jaderberger und Jader, denn dann läuft der weitere Verkehr über Heubült – Jaderberg – Jade – Außendeich zur Bundesstraße und zum Wesertunnel. Und das für Jahrzehnte […] so lange wird es durch Jaderberg, Jade und Außendeich rauschen.“[5]

Bis zu 40.000 Prozent mehr Schwerverkehr durch die A 20!

Nicht minder dramatisch sind die Auswirkungen der A 20 auf andere Ortsteile der Gemeinde Jade. Falls diese Autobahn je gebaut werden sollte, dann werden durch Mentzhausen, Bollenhagen und Jaderlangstraße täglich 4.000 Lkw donnern[6] – auf der A 20 nämlich. Im Vergleich zum jetzigen Schwerverkehrsaufkommen[7] ist das ein Inferno.

Zur Zeit fahren 60 bis 70 Lkw am Tag durch Mentzhausen.Mit der A 20 steigt die Belastung der Bevölkerung durch die negativen Auswirkungen des Schwerverkehrs hier also durchschnittlich um mehr als das 60-fache an.Belastungswirkung der A 20: 5.714 bis 6.666%.

In Worten: fünftausendsiebenhundertundvierzehn bis sechstausendsechshundertsechsundsechzig Prozent.

In Jaderlangstraße sind momentan 40 Lkw täglich unterwegs. Mit der A 20 steigt die Belastung der Bevölkerung durch die negativen Auswirkungen des Schwerverkehrs hier also um das 100-fache an. Belastungswirkung der A 20: 10.000%.

In Worten: Zehntausend Prozent.

Durch Bollenhagen fahren jetzt 10 Lkw am Tag.Mit der A 20 steigt die Belastung der Bevölkerung durch die negativen Auswirkungen des Schwerverkehrs hier also um das 400-fache an. Belastungswirkung der A 20: 40.000%.

In Worten: Vierzigtausend Prozent.

Es herrscht also ein grobes Missverhältnis: Die versprochene, aber ausbleibende Entlastung vom Schwerverkehr durch die A 20 liegt bei null Prozent. Die gern unter den Tisch gekehrte, aber zweifelfrei zu erwartende zusätzliche Belastung liegt bei bis zu vierzigtausend Prozent.

In dieser Situation sollte der Rat der Gemeinde Jade sich vielleicht doch einmal die Frage stellen, ob die A 20 halten kann, was sie verspricht?

Hinfälliges Argument und ausbleibender Nutzen

Die Gemeinde Jade hatte in ihrer Stellungnahme im Raumordnungsverfahren die Entlastungswirkung der A 20 in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gestellt. Diese Entlastung sollte alle Nachteile, welche die Gemeinde Jade durch die A 20 erleidet, aufwiegen. Die Stellungnahme der Gemeinde zieht folgendes Fazit:

„Insgesamt betrachtet führen alle Varianten in der Gemeinde Jade zu erheblichen Betroffenheiten. Bei der Abwägung der Varianten muss einerseits der Eingriff in Natur und Landschaft, Landwirtschaft, Tourismus und gemeindlicher Infrastruktur betrachtet werden. Andererseits muss jedoch, da jede Variante zu erheblichen Beeinträchtigungen bei v.g. Aspekten führt, einem Ziel der A 22 – nämlich der verkehrlichen Entlastung der B 437 sowie der Ortsdurchfahrten Jaderberg und Jaderaltendeich – ebenfalls großes Gewicht beigemessen werden.“[8]

Die aktuellen Zahlen aus dem BMVI belegen, dass die erhoffte Entlastung des vorhandenen Straßennetzes durch die A 20 völlständig ausbleibt. Dieses Argument für den Bau der A 20 ist hinfällig. Hinzu kommt, dass die A 20 für die wirtschaftliche Entwicklung Jades ebenso nutzlos ist wie für die Hinterlandanbindung des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven.

In der Gemeinde Jade ist es also an der Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, ob die A 20 wirklich Vorteile hat – oder ob der Schaden nicht bei weitem überwiegt? Und ob es nicht weitaus bessere Möglichkeiten gibt, die Verkehrsprobleme vor Ort zu lösen?

 


Quellen:

[1] SSP Consult Beratende Ingenieure GmbH: Verkehrsuntersuchung für die Küstenautobahn A 20 Westerstede (A 28) bis Drochtersen (A 20/Elbquerung). Erläuterungsbericht. Februar 2012. Auftraggeber: Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Geschäftsbereiche Oldenburg und Stade (im folgenden zit. als „Verkehrsuntersuchung“)

[2] Lkw-Querschnittsbelastungen des DTVW im Bezugsfall 2030. In: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Projektinformationssystem (PRINS) zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030. Projektinfo A20-G10-NI-SH. Gesamtprojekt A20-G10-NI-SH (im folgenden zit. als „PRINS“), Punkt 1.5: Verkehrsbelastungen im Bezugs- und Planfall, Abb. 3 (http://www.bvwp-projekte.de/strasse/karten/ivv/A20-G70-SH-NI_VG_DTVw_Lkw.png) (Stand: 14.6.2016)

[3] Lkw-Querschnittsbelastungen des DTVW im Planfall 2030. In: PRINS, Punkt 1.5: Verkehrsbelastungen im Bezugs- und Planfall, Abb. 5 (http://www.bvwp-projekte.de/strasse/karten/ivv/A20-G70-SH-NI_PL_DTVw_Lkw.png) (Stand: 14.6.2016)

[4] Querschnittsbezogene Lkw-Belastungsdifferenzen des DTVW zwischen dem Planfall und dem Bezugsfall 2030. In: PRINS, Punkt 1.5: Verkehrsbelastungen im Bezugs- und Planfall, Abb. 7 (http://www.bvwp-projekte.de/strasse/karten/ivv/A20-G70-SH-NI_DTVw_Delta_Lkw.png) (Stand: 14.6.2016)

[5] UN: A 20 – Hurra! In: Der Gemeindebote. Zeitung der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Jade. Nr. 166, Juni 2016, S. 13 (http://www.ev-kirche-jade.de/dl/GB/Gemeindebote_Nr._166_Juni_2016.pdf) (Stand: 14.6.2016)

[6] siehe Anmerkung 4

[7] vgl. Verkehrsuntersuchung, Abb. 1a: Analysefall: Verkehr 2010 im Netz 2010 (Teilabschnitt West), DTV 2010 in Lkw/24h und Kfz/24h

[8] Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung/Regierungsvertretung Lüneburg, Referat Raumordnung/Landesentwicklung: Raumordnungsverfahren für die geplante Küstenautobahn A22 Westerstede (A28) – Drochtersen (A20, Elbquerung). Erörterung am 26. und 27.08.08 in Nordenham. Synopse 2: Stellungnahmen sortiert nach Beteiligten, S. 163

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