Nie sollst du mich befragen
Bundesverkehrsminister Dobrindt und die Informationsrechte des Parlamentes

In der Bundestagssitzung am Freitag, 24. März 2017, richtete Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eine Mahnung an Bundesverkehrminister Alexander Dobrindt (CSU).

Offenbar ist nicht nur die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, sondern auch der Bundestagspräsident der Ansicht, dass das Bundesverkehrministerium (BMVI) die im Grundgesetz festgeschriebenen Fragerechte der Parlamentarier auf die leichte Schulter nimmt.

Manchem mag es auf den ersten Blick kleinlich erscheinen, den saloppen Umgang mit diesen Rechten zu kritisieren. Doch diese Rechte sind ein wichtiges demokratisches Instrument, das für die Kontrolle der Bundesregierung und der Bundesministerien durch das Parlament – sprich: durch die Volksvertretung – unabdingbar ist.

Worum geht es?

Die Bundestagssitzung wurde allseits mit Spannung erwartet, denn die Debatte um Dobrindts umstrittene Maut (also um das Infrastrukturabgabengesetz) stand als erster Tagesordnungspunkt auf der Agenda. Der Bundesverkehrsminister eröffnete die Debatte mit seinem Redebeitrag – doch kaum hatte er begonnen, stellte Britta Haßelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, mit dem Einverständnis des Ministers eine Zwischenfrage, die sich als Grundsatzfrage entpuppte.

Frau Haßelmann begann mit einer Feststellung:

„Seit dem 17. Dezember 2014 befinde ich mich mit Ihnen in einer Auseinandersetzung darüber, dass es keinen anderen Minister und keine andere Ministerin in diesem Parlament gibt, der bzw. die die Rechte der Parlamentarierinnen und Parlamentarier so missachtet wie Sie.“[1]

Dabei bezog die Bundestagsabgeordnete sich auf ein Schreiben, das sie zum genannten Datum an den Verkehrsminister gesandt hatte. Das Schreiben verweist auf die Geschäftsordnung des Bundestages:

„Nach der Geschäftsordnung des Bundestages sind schriftliche Fragen der Abgeordneten innerhalb einer Woche, Kleine Anfragen der Fraktion innerhalb von zwei Wochen nach Eingang beim Bundeskanzleramt von der Bundesregierung zu beantworten. Für Kleine Anfragen sieht die Geschäftsordnung die Möglichkeit vor, die Frist seitens des Bundestagspräsidenten im Benehmen mit dem Fragesteller zu verlängern.“[2]

Dieses Schreiben enthält eine Auflistung von 13 „Kleinen Anfragen“ der Grünen, die das BMVI „erst mit deutlicher Verspätung und nach mehrfachen Nachfragen beantwortet“ hatte.

Ein solcher Umgang mit dem Fragerecht der Parlamentarier sei, so schrieb Frau Haßelmann, „nicht hinnehmbar“ und müsse abgestellt werden:

„Andernfalls drängt sich der Verdacht auf, dass die Bundesregierung und insbesondere Ihr Ministerium bemüht ist, gegebenenfalls unliebsame Informationen gegenüber Parlament und Öffentlichkeit möglichst lange zurückzuhalten.“[3]

Im Oktober 2016[4] sowie im März 2017 hatte Frau Haßelmann sich in dieser Sache erneut an das BMVI gewandt, denn Dobrindts Ministerium befleißigte sich offensichtlich weiterhin ungerührt einer verschleppenden Informationspolitik:

„Zum wiederholten Mal muss ich Sie dazu aufrufen, im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur endlich dafür zu sorgen, dass Anfragen meiner Fraktion ebenso wie schriftliche Fragen der Abgeordneten ordnungsgemäß, insbesondere innerhalb der hierfür vorgesehenen Fristen, beantwortet werden. […] Im Ältestenrat wurde das Antwortverhalten Ihres Hauses ebenfalls wiederholt thematisiert. Allein im laufenden Jahr kam es jedoch bereits in […] fünf Fällen zu einer Missachtung der Fristen für die Beantwortung Kleiner Anfragen […].“[5]

Wie lautete die Frage von Britta Haßelmann?

In der Bundestagsdebatte am vergangenen Freitag brachte Frau Haßelmann die Sache in einer direkten Ansprache an Bundesverkehrsminister Dobrindt auf den Punkt:

„Sie missachten das Fragerecht des Deutschen Bundestages […] und informieren noch nicht einmal, Sie beantragen auch keine Fristverlängerung. Ich kenne eine solche Missachtung des Parlamentes wirklich von niemandem. […] Ich bitte Sie, uns zu erklären, weshalb das Ministerium das so handhabt und warum Sie als Minister das auch noch rechtfertigen.“[6]

Wie antwortete Bundesverkehrsminister Dobrindt?

Alexander Dobrindt antwortete, wie kaum anders zu erwarten war, mit einem Ideologievorwurf:

„Ich freue mich über jede einzelne Anfrage, die von Ihnen kommt, und ich freue mich auch, dass die Antworten unseres Hauses zur einer Wissensmehrung bei Ihnen beitragen; […] in der Regel zur Korrektur dessen, was Sie falsch oder ideologisch in Ihren Fragen implementiert haben. […] Wir werden das genauso weitermachen: Sie bekommen die richtigen Antworten auf Ihre oft falschen Fragen.“[7]

Was sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert?

Nun war der Zeitpunkt gekommen, zu dem sich der Bundestagspräsident in den Schlagabtausch einmischte – und zwar mit einer doch recht deutlichen Ermahnung des Verkehrsministers:

„Einen Augenblick bitte. – Also, eine ergänzende Bemerkung muss ich dazu schon machen, Herr Minister. Die Freude über die Vielzahl der Anfragen ist Ihrem Ministerium in der Art und Dauer der Beantwortung nicht immer anzumerken. […] Und Ihre Ankündigung, die bisherige Praxis genauso fortzusetzen, würde nicht nur bei der betroffenen Fraktion ein Problem auslösen. Darauf muss ich auch aufmerksam machen.“[8]

Fazit:

Erst im letzten Jahr lieferte die mehr als mangelhafte Öffentlichkeitsbeteiligung zum Bundesverkehrswegeplan ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass Information und Transparenz eindeutig nicht zu den Stärken des Bundesverkehrsministeriums zählen. Im Sinne der Demokratie kann es nur von Vorteil sein, dass das Parlament und dessen Präsident ein wachsames Auge auf dieses Ministerium und seinen Chef haben.


Video:

Auf der Website von Britta Haßelmann findet sich ein Video der Bundestagssitzung:

Britta Haßelmann: Dobrindt missachtet Rechte der Parlamentarier, 24.3.2017 (https://britta-hasselmann.de/meine-themen/im-bundestag/2017/03/24/dobrindt-missachtet-rechte-der-parlamentarier/) (Abrufdatum: 27.3.2017)


Quellen:

[1] Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 18/226, 24.3.2017, S. 22690 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/18/18226.pdf) (Abrufdatum: 27.3.2017)

[2] Schreiben von Britta Haßelmann an Alexander Dobrindt, 17.12.2014, S. 1 (https://britta-hasselmann.de/wp-content/uploads/2017/03/14-12-17-BMVI-Beschwerde-Missachtung-Fragerecht.pdf) ) (Abrufdatum: 27.3.2017)

[3] Schreiben von Britta Haßelmann an Alexander Dobrindt, 17.12.2014, S. 5

[4] Schreiben von Britta Haßelmann an Alexander Dobrindt, 7.10.2016 (https://britta-hasselmann.de/wp-content/uploads/2017/03/16-10-07-BMVI-Beschwerde-wegen-nicht-fristgemaesser-Beantwortung-Kleine-Anfrage-Dieselfahrzeuge.pdf) (Abrufdatum: 27.3.2017)

[5] Schreiben von Britta Haßelmann an Alexander Dobrindt, 21.3.2017, S. 1 (https://britta-hasselmann.de/wp-content/uploads/2017/03/17-03-21-BMVI-Missachtung-Fristen-Kleine-Anfragen.pdf) (Abrufdatum: 27.3.2017)

[6] Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 18/226, 24.3.2017, S. 22690

[7] Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 18/226, 24.3.2017, S. 22690f.

[8] Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 18/226, 24.3.2017, S. 22691

Schreibe einen Kommentar