BVWP: Gutachten der Grünen Landtagsfraktion bestätigt Ergebnisse der Initiativen gegen die A 20
„Küstenautobahn“: Geschönte Zahlen und fehlender Bedarf

 Zu dem Gutachten über die fragwürdige Position der sog. „Küstenautobahn“ A 20 im Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans, über das u. a. der „Weser-Kurier“ sowie die „Nordwest-Zeitung“ berichteten, hat der Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20 heute folgende Pressemitteilung herausgegeben:

logo_a20-nie_gutequalJPGGeschönte oder veraltete Zahlen, falsche Berechnungen, mangelhafte Alternativenprüfung, stark unterschätzter Flächenverbrauch, Verfehlung der Klimaschutzziele, kein Bedarf – dies sind nur einige der Kritikpunkte, welche die Einstufung der Autobahn A 20 in den ‚Vordringlichen Bedarf’ des neuen Bundesverkehrswegeplans (BVWP) in ein mehr als zweifelhaftes Licht rücken. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das die Verkehrsplanungsexperten der Regio Consult im Auftrag der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen erarbeitet haben.

„Die neue Expertise bestätigt unsere umfangreiche Kritik am Entwurf des BVWP, die wir im April 2016 in unserer Stellungnahme zu diesem Entwurf formuliert haben“, so Uwe Schmidt, Pressesprecher der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20.

Während der BVWP-Entwurf das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) der A 20 mit wahlweise 1,6 oder 1,9 angibt, liegt es nach den Berechnungen der Regio Consult lediglich bei 1,2 und damit unmittelbar an der 1,0-Minimalgrenze, die besagt, dass Kosten und Nutzen eines Projektes ein ebenso unwirtschaftliches wie sinnloses Nullsummenspiel sind. Die Ergebnisse bestätigen die Berechnungen von Prof. Marte, der schon 2012 in seinem Gutachten ebenfalls nur ein NKV von 1 ermittelt hatte.

Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) geht bei seinen Berechnungen im Entwurf des BVWP davon aus, dass ein Baukilometer der A 20 mit 16 bis 19,5 Mio. Euro Kosten zu veranschlagen sei. Das neue Gutachten geht von 20,3 Mio. Euro pro Kilometer aus, weist aber ausdrücklich darauf hin, dass diese Kosten aufgrund des Elbtunnels sowie durch den auf einigen Streckenabschnitten sehr problematischen Baugrund durchaus höher liegen können. Der CDU-Wirtschaftsrat hat die tatsächlichen Baukosten eines Autobahnkilometers schon im Jahr 2007 auf 26,8 Mio. Euro beziffert.

Diese Summe beruht auf einer Erhebung aus 14 Neubauprojekten, die zwischen 1975 und 1995 fertig gestellt worden sind und dürfte daher die größte Realitätsnähe aufweisen. Demnach werden die 161 Baukilometer der A 20 von Westerstede in Niedersachsen bis zur A 23 bei Hohenfelde in Schleswig-Holstein mit mindestens 4.314,8 Mio. Euro zu Buche schlagen, wobei die Kostensteigerungen der letzten Jahre noch gar nicht berücksichtigt sind.

Neben den geschönten Berechnungen reichen auch die vorhergesagten Verkehrszahlen für die A 20 nicht aus, um den teuren Neubau einer Autobahn zu rechtfertigen. Die A 20 liegt auf vielen Abschnitten weit unter der mindestens erforderlichen Verkehrsmenge von 18.000 Kfz täglich: Von Bremerhaven durch die Wesermarsch bis zur A 29 im Ammerland zum Beispiel werden meistenteils nur 12.000 bis 13.000 Fahrzeuge am Tag unterwegs sein, westlich von Beverstedt nur 9.000 – dies reicht nicht aus, um den Bedarf für eine Autobahn zu begründen.

Die Initiativen gegen die A 20 erhalten auch von anderen prominenten Stellen Unterstützung: Der Bundesrechnungshof ist offenbar der Ansicht, dass das Nutzen-Kosten-Verhältnis insbesondere von Straßenbauprojekten im Entwurf des BVWP schöngerechnet worden ist, wie die Tagesschau und der Bayerische Rundfunk berichteten. Das Umweltbundesamt hat die A 20 auf die Liste der Projekte gesetzt, die vollständig aus dem BVWP gestrichen werden sollten.

„Wir setzen darauf, dass die Vernunft siegt und die Politik sich auf ihre Aufgabe besinnt, verantwortungsvoll mit den Steuergeldern der Bürger umzugehen“, so Schmidt. „Die A 20 hat im Bundesverkehrswegeplan nichts zu suchen.“

 


Quellen:

RegioConsult Verkehrs- und Umweltmanagement: Stellungnahme zum BVWP-Entwurf 2030 zu den Hauptprojekten A 20 AD A28/A20 (Westerstede) – Hohenfelde (A 23) mit A 26 mit 11 Teilprojekten und A 39 AS Lüneburg-N (B 216) – AS Weyhausen (B 188) mit 7 Teilprojekten. Auftraggeber: Vorstand der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Juli 2016 (http://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/fileadmin/docs/susanne_menge/Stellungnahme_BVWP-A20-A39.pdf)

Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20 (A 22): Stellungnahme zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 vom 29.04.2016 (http://wp.a22-nie.de/wp-content/uploads/2016/05/BVWP_Stellungnahme-oeffentlich_KOK_2016-04-29_final_low.pdf)

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Bundesverkehrswegeplan 2030. Entwurf März 2016 (https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/BVWP/bvwp-2030-gesamtplan.pdf?__blob=publicationFile)

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Projektinformationssystem (PRINS) zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030. Gesamtprojekt A 20 AD A28/A20 (Westerstede) – Hohenfelde (A 23) mit A 26 (http://www.bvwp-projekte.de/strasse/A20-G10-NI-SH/A20-G10-NI-SH.html)

Wirtschaftsrat der CDU e. V.: Transparenz, Effizienz, Wettbewerb: Ein Zwei-Säulen-Konzept zur Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur. Februar 2007 (https://www.keine-a39.com/pdf/news/Infos%20vom%20Wirtschaftsrat.pdf)

Marusczyk, Ivo: „Schöngerechnet“. Rechnungshof rügt Bundesverkehrswegeplan. In: BR.de, 5.4.2016 (https://www.br.de/bundesverkehrswegeplan-bundesrechnungshof-kostenschaetzungen-100.html)

Marusczyk, Ivo: Autobahnbau auf dem Prüfstand: Kosten schöngerechnet. In: tagesschau.de, 5.4.2016 (https://www.tagesschau.de/inland/bundesverkehrswegeplan-101.html)

Stellungnahme des Umweltbundesamtes zum Entwurf des BVWP 2030 mit Umweltbericht, 29.4.2016, Anhang A (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/dokumente/stellungnahme_des_umweltbundesamtes_zum_entwurf_des_bundesverkehrswegeplans_2030_mit_umweltbericht_anhang_a.pdf)

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