A 20 im Bundesverkehrswegeplan – na und?
Von schlichten Listen und steinigen Wegen

Nach allem, was man hört und liest, wird die niedersächsische A 20 im „vordringlichen Bedarf“ des neuen Bundesverkehrswegeplans (BVWP) stehen. Das bringt sie aber nicht viel weiter – höchstwahrscheinlich bringt es ihr überhaupt nichts.

Das Neubauprojekt A 20 war bereits im Vorgänger des neuen BVWP enthalten. Im alten BVWP aus dem Jahr 2003 stand sie in der untersten, unwichtigsten Klasse, dem so genannten „weiteren Bedarf“. Sie bekam damals schon Planungsrecht, so dass das Land Niedersachsen bzw. die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr mit der Planung der A 20 beginnen durfte. Doch sie ist damals auch mit einem „besonderen naturschutzfachlichen Planungsauftrag“ versehen worden – ein deutliches Zeichen dafür, dass die Planung dieser Autobahn besonders schwierig werden würde. Der Planungsweg der A 20 ist in der Tat mit vielen Stolpersteinen bestückt, denn bis heute (also 13 Jahre später) hat kein einziger Abschnitt der Autobahn einen gültigen Planfeststellungsbeschluss (eine rechtskräftige Baugenehmigung) vorzuweisen. In ganz Niedersachsen ist noch kein einziger Spatenstich an der A 20 getan worden. Im Gegenteil: Von ihrem ersten Spatenstich ist die A 20 meilenweit entfernt.

Nun ist die A 20 also wohl im „vordringlichen Bedarf“ des neuen BVWP gelandet. Das klingt ja erst einmal so, als sei sie einen entscheidenden Schritt weiter gekommen: Sie ist wahrscheinlich aus der untersten Klasse, dem „weiteren Bedarf“, in die nächsthöhere Klasse, den „vordringlichen Bedarf“ aufgerückt. Aber im neuen BVWP gibt es eine noch höhere Klasse: Das ist der „vordringliche Bedarf plus“. Diese Klasse gab es im alten BVWP noch nicht. Obgleich die A 20 also jetzt höher eingestuft ist, dümpelt sie nach wie vor im Mittelfeld der Bauprojekte herum. Ihre Chancen, jemals gebaut zu werden, stehen weiterhin schlecht.

Der Bundesverkehrswegeplan

Wenn man die Chancen der A 20 realistisch beurteilen will, ist es lohnenswert, sich einmal genauer mit dem BVWP zu beschäftigen.

Der BVWP ist ein Plan – mehr nicht. Er ist eine Absichtserklärung. Er ist zunächst noch kein Gesetz. Er sagt nichts über die Finanzierung der Projekte aus, die in ihm enthalten sind. Er listet einfach nur auf, welche Projekte der Bund irgendwann innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre eventuell vielleicht bauen möchte.

Der BVWP wird vom Bundesverkehrsministerium aufgestellt. Alle Bundesländer reichen dort lange Listen mit den Projekten ein, die sie gerne bauen würden. Insgesamt haben die 16 (!) Bundesländer rund 2.000 (!) Bauprojekte vorgeschlagen.

Das Bundesverkehrsministerium prüft diese langen Listen. Manche Projekte werden vom Bundesverkehrsministerium verworfen. Die anderen kommen in den BVWP. Dabei handelt es sich aber noch nicht um den endgültigen BVWP, sondern um einen Entwurf des BVWP.

Dieser Entwurf des BVWP enthält alle Verkehrswege, für die der Bund zuständig ist und an denen in irgend einer Form gebaut werden soll. Zu diesen Verkehrswegen gehören Autobahnen, Bundesstraßen, Schienennetze und Wasserstraßen.

Natürlich ist Deutschland schon mit einem umfangreichen Netz solcher Verkehrswege durchzogen. Diese bereits vorhandenen Verkehrswege müssen erhalten werden. Manche von ihnen sind so marode, dass sie ersetzt werden müssen. All diese Bauprojekte stehen in der Kategorie „Erhaltung/Ersatz“ des BVWP. Diese Kategorie hat eine Vorrangstellung, denn es gilt der Grundsatz: „Erhaltung geht vor!“

Manche der vorhandenen Verkehrswege sollen nicht nur erhalten, sondern ausgebaut werden. Andere Verkehrswege existieren noch gar nicht, sondern sollen neu gebaut werden. Diese Verkehrswege sind in der Kategorie „Aus- und Neubau“ des BVWP zusammengefasst. Diese Kategorie ist nochmals in drei verschiedene Klassen eingeteilt: Die dringlichsten Projekte kommen in den „vordringlichen Bedarf plus“, die minder dringlichen Projekte in den „vordringlichen Bedarf“, das Schlusslicht bilden die Projekte im „weiteren Bedarf“.

Bundesverkehrswegeplan Schema A 20 März 2016Wenn das Bundesverkehrsministerium seinen Entwurf des BVWP erarbeitet hat, wird dieser der Öffentlichkeit vorgestellt. Das wird – nach schier endlosen Verzögerungen – am 16. März 2016 geschehen. Im Anschluss an die Veröffentlichung wird es eine sechswöchige Öffentlichkeitsbeteiligung geben, so dass jeder Bürger die Möglichkeit bekommen wird, Stellung zum Entwurf des BVWP zu nehmen. Eine solche Öffentlichkeitsbeteiligung hat es zuvor noch nie gegeben: In diesem Jahr bekommen die Bürger erstmals ein Mitspracherecht an der Verkehrsplanung des Bundes. Wir werden es nutzen!

Die Stellungnahmen aus der Öffentlichkeitsbeteiligung müssen vom Bundesverkehrsministerium in den Entwurf des BVWP eingearbeitet werden. Dann wandert der Entwurf weiter zur Bundesregierung.

Die Bundesregierung erstellt nun auf der Basis dieses Entwurfs des BVWP einen weiteren Entwurf. Diesmal ist es ein Gesetzentwurf, die so genannten „Ausbaugesetze mit Bedarfsplänen“.

Dann geht das Ganze in den Bundestag, denn das ist die zuständige Stelle, wenn es um den Beschluss von Gesetzen geht. Der Bundestag beschließt also die Ausbaugesetze mit den dazugehörigen Bedarfsplänen. Erst jetzt hat der BVWP Gesetzescharakter erlangt und ist eine Rechtsnorm. Die Ausbaugesetze mit den Bedarfsplänen gelten 10 bis 15 Jahre lang, also bis zur Aufstellung eines neuen BVWP.

Das klingt recht beeindruckend, bringt ein Bauprojekt wie die A 20 auf seinem langen und steinigen Weg aber immer noch nicht wirklich weiter. Denn erst jetzt geht es ans Eingemachte: Jetzt kommen die Finanzen ins Spiel.

Bedarfspläne und Investitionsrahmenpläne

Wenn der BVWP in die Form der Ausbaugesetze und Bedarfspläne gegossen worden ist, geht er wieder zurück ans Bundesverkehrsministerium. Dem Bund ist nämlich völlig klar, dass es gänzlich unmöglich ist, alle Projekte, die nun beschlossen worden sind, auch wirklich zu bauen.

Deshalb ist das Bundesverkehrsministerium dazu verpflichtet, alle fünf Jahre einen neuen Bedarfsplan sowie einen neuen Investitionsrahmenplan aufzustellen. Das sind die so genannten „Fünfjahrespläne“. Bei der Aufstellung dieser Pläne wählt das Ministerium aus den Projekten aus, die im BVWP enthalten sind.

Dabei muss das Bundesverkehrsministerium nachweisen, dass für die ausgewählten Projekte tatsächlich ein Bedarf besteht. Die ausgewählten Projekte müssen wirtschaftlich und notwendig sein. Überdies muss das Ministerium nachweisen, dass die ausgewählten Projekte auch wirklich innerhalb der nächsten fünf Jahre gebaut werden können. Außerdem muss es sich mit dem Bundesfinanzministerium abstimmen, um sicherzustellen, dass die ausgewählten Projekte auch wirklich finanziert werden können.

Diese neuerliche Auswahl und Überprüfung der Projekte ist also eine hohe Hürde, die selbstredend immer nur von einem sehr kleinen Teil der Projekte genommen werden kann, die im BVWP auf der Warteliste stehen.

Nach allen Regeln der Logik (und wenn alles mit rechten Dingen zugeht) haben diejenigen Projekte die größten Chancen, den Sprung in die Fünfjahrespläne zu schaffen, die im Erhaltungsbedarf oder im „vordringlichen Bedarf plus“ stehen. Alle anderen Projekte müssen weiter warten, und es nützt ihnen nichts, dass sie im BVWP stehen.

Diese Fünfjahrespläne des Bundesverkehrsministeriums müssen dann wieder durch den Bundestag und durch die Haushaltsdebatten gebracht werden.

Dann, ja dann erst, wenn all dies geschafft ist, kann ein Projekt wirklich gebaut werden.

Der Weg dorthin ist lang und steinig.

Und die A 20?

Tja, die steht immer noch ganz am Anfang dieses Weges …

A 20-Gegner sollten sich also von all den Freudenfeuern, welche die A 20-Freunde im Zuge der Veröffentlichung des BVWP-Entwurfs in dieser Woche vermutlich abfackeln werden, nicht beirren lassen.

Wenn die Feuer heruntergebrannt sind, bleibt wie immer nur ein kleines Häuflein trauriger Asche übrig.

Sonst nichts.

 


Quellen:

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI): Bundesverkehrswegeplan (Stand: 14.3.2016)

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI): Bedarfsplanüberprüfung (Stand: 14.3.2016)

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI): Investitionsrahmenplan 2011-2015 (Stand: 14.3.2016)

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI): Öffentlichkeitsbeteiligung im Bundesverkehrswegeplan 2015 (Stand: 14.3.2016)

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI): Grundkonzeption für den Bundesverkehrswegeplan 2015. Kurzfassung (Stand: 14.3.2016)

Bundesverkehrswegeplan 2015. In: Wikipedia (Stand: 14.3.2016)

2 Kommentare

  • Hallo Wolf-Dieter,
    ja, ich finde auch, dass die Presse hier im Nordwesten ihre eigentliche Aufgabe – nämlich die Information des Lesers – zu sehr aus dem Blick verliert und stattdessen auf plumpe Meinungsmache setzt. Aber wir können ja sehr gut dagegen halten: Mit fundierten Informationen nämlich!
    Beste Grüße zurück von
    Kirsten

  • Hallo Kirsten,
    endlich: eine klare und leicht zu verstehende Erklärung der wesentlichen Stationen des BVWP’s. Wenn ich so richtig gut hacken könnte, würde ich deinen Block, so wie er ist, der Presse auf ihre Druckplatten unterjubeln. Zudem hat er mich wieder ins Gleichgewicht gebracht. Aus der Historie wissen wir ja das Kriege manchmal auch mit Gebrüll eine starke Gewichtung bekamen. Du hast die Kampfaufstellung neu sortiert und den Lautstärkeregler mal in die Hand genommen.?
    Liebe Grüße
    Wolf-Dieter Kuhlicke

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