A 20: Der aktuelle Stand der „Küstenautobahn“ im Januar 2017

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Die A 20 im Bundesverkehrswegeplan 2030

Am 2.12.2016 hat der Bundestag den Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) in Form der sog. Ausbaugesetze verabschiedet. Die Oppositionsparteien stimmten geschlossen gegen das Fernstraßenausbaugesetz, konnten sich jedoch auch mit verschiedenen Änderungsanträgen nicht durchsetzen. Alle Dokumente zur Verabschiedung des BVWP 2030 sind auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages abrufbar.

Während die A 20 im alten BVWP von 2003 noch im „Weiteren Bedarf“ stand, ist sie im neuen BVWP in den „Vordringlichen Bedarf“ hochgestuft worden. Der Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20 hat im Mai 2016 eine umfangreiche Stellungnahme zum Entwurf des BVWP 2030 abgegeben. Die Höherstufung der A 20 ist nach wie vor heftig umstritten. Über die Diskussion um die Position der A 20 im BVWP 2030 gibt mein Blog-Artikel zum Stand der A 20 im Juni 2016 Auskunft.

Im August 2016 hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) eine Beschwerde zum BVWP 2030 bei der Europäischen Kommission eingelegt.

Am 14.12.2016 hat auch der Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20 bei der EU-Kommission Beschwerde zum BVWP 2030 eingereicht. Die Beschwerde wird mitgetragen von der Schutzgemeinschaft ländlicher Raum Nord-West e. V.

Der Planungsstand der A 20

Planungsbehörde

In Niedersachsen wird die A 20 von Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV), Geschäftsbereiche Oldenburg und Stade, geplant. In Schleswig-Holstein ist der Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr (LBV) für die Planung zuständig.

Länge der Trasse

Nach Angaben der NLStBV ist die Trasse von Westerstede bis Drochtersen (Elbe) rund 120 km lang.[1] Im BVWP 2030 stehen auch schleswig-holsteinische Teilstücke der A 20 auf der Projektliste für Niedersachsen. Demnach ist die niedersächsische A 20 nunmehr 161 km lang und führt unter der Elbe hindurch bis zur A 23 bei Hohenfelde in Schleswig-Holstein.[2]

Verlauf der Trasse

Momentan kann man sich den Verlauf der Trasse noch im Projektinformationssystem (PRINS)  des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ansehen.[3] Die aktuelle Version des Projektdossiers der A 20 im PRINS weicht in manchen Punkten erheblich von der ursprünglichen Version ab, die während der laufenden Öffentlichkeitsbeteiligung zum BVWP 2030 einsehbar war.

Eine Überblickskarte findet sich auf den Internetseiten der NLStBV.[4]

Planungsabschnitte und Planungsstand der A 20

Früher war die niedersächsische A 20 von Westerstede bis Drochtersen in sieben Planungsabschnitte eingeteilt. Seit dem 23.6.2016 umfasst die niedersächsische A 20 acht Planungsabschnitte, denn der vierte Abschnitt wurde aufgeteilt.

Für keinen einzigen Abschnitt liegt bislang ein Planfeststellungsbeschluss (dieser ist einer Baugenehmigung vergleichbar) vor.

PA 1 – Von der A 28 bei Westerstede bis zur A 29 bei Jaderberg:

Das Planfeststellungsverfahren wurde am 26. Mai 2015 eröffnet. Es wurden rund 1.000 Einwendungen erhoben und rund 42 Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange eingebracht. Da die Planunterlagen zum Teil erneuert bzw. aktualisiert werden mussten, war eine Neuauslegung der Unterlagen erforderlich. Diese erfolgte vom 7.11.2016 bis zum 6.12.2016. Die neuerliche Einwendungsfrist zu den Planunterlagen endete am 20.12.2016.[5] Die Kritiker der A 20 haben eine umfangreiche Stellungnahme eingereicht.

Ein Erörterungstermin hat bislang nicht stattgefunden.

PA 2 – Von der A 29 bei Jaderberg bis zur B 437 bei Schwei:

Am 28.9.2016 erteilte das BMVI den sog. „Gesehenvermerk“ für die Planungen dieses Abschnitts.

© A22 Nie!
© A22 Nie!

Ein Gesehenvermerk besagt, dass das BMVI die Planunterlagen geprüft und genehmigt hat. Er bezieht sich auf den Vorentwurf der Planung, der auch als „Entwurfsplanung“ bezeichnet wird. Wenn der Gesehenvermerk vorliegt, beginnt die nächste Phase der Planungsarbeiten, nämlich die sog. „Genehmigungsplanung“. In dieser Phase muss der Vorentwurf detailliert ausgearbeitet und ergänzt werden. Das Ergebnis der Genehmigungsplanung ist ein weiterer Entwurf, der sog. „Feststellungsentwurf“. Wenn der Feststellungsentwurf vorliegt, kann das Planfeststellungsverfahren eröffnet werden. Dann müssen die Planunterlagen öffentlich ausgelegt werden, so dass Einwendungen und Stellungnahmen erhoben bzw. abgegeben werden können.[6]

Das Planfeststellungsverfahren für diesen Abschnitt hat indes noch nicht begonnen.

PA 3 – Von der B 437 bei Schwei bis zur L 121 östlich der Weserquerung:

Das BMVI hat am 30.12.2016 den Gesehenvermerk erteilt (siehe dazu die obigen Erläuterungen).

Das Planfeststellungsverfahren ist noch nicht eröffnet.

PA 4a – Von der L 121 östlich der Weserquerung bis zur A 27 bei Stotel:

Dieser Abschnitt befindet sich in der Entwurfsplanung. Ein Gesehenvermerk liegt noch nicht vor. Dementsprechend ist auch das Planfeststellungsverfahren noch nicht eröffnet.

PA 4 – Von der A 27 bei Stotel bis zur B 71 bei Heerstedt:

Auch dieser Abschnitt ist noch in der Entwurfsplanung. Er hat noch keinen Gesehenvermerk erhalten und befindet sich noch nicht im Planfeststellungsverfahren.

PA 5 ­– Von der B 71 bei Heerstedt bis zur B 495 bei Bremervörde:

Dieser Abschnitt befindet sich im gleichen Stadium wie die Abschnitte 4a und 4: Bislang kein Gesehenvermerk und keine Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens.

PA 6 – Von der B 495 bei Bremervörde bis zur L 114 bei Elm:

Das Planfeststellungsverfahren wurde am 28.9.2012 eröffnet. In diesem Verfahren wurden rund 400 Einwendungen erhoben und rund 30 Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange eingebracht.

Der Erörterungstermin fand im Juni 2016 – also fast vier Jahre später – statt.

Im Vorfeld des Termins hatten die Naturschutzverbände BUND und NABU sowie der Schutz- und Klagefonds gegen die A 20 über den Rechtsanwalt Peter Kremer beantragt, die Erörterung abzusetzen. Eine der Begründungen des Antrags lautet, dass die Planungsbehörde mit veralteten und deutlich überzogenen Verkehrszahlen gearbeitet hatte, die in der aktuellen Verkehrsprognose des BMVI deutlich nach unten korrigiert worden sind:

„Die verbleibenden Verkehre gelangen damit in einen Bereich, in dem die Begründung für diese Autobahn wegbricht.“

Die Planungsbehörde lehnte den Antrag ab und vertrat die Meinung, dass auch mit veralteten Zahlen über die A 20 erörtert werden könnte. Die Vertreter des Schutz- und Klagefonds gegen die A 20 sowie der Naturschutzverbände verließen den Erörterungstermin vorzeitig unter Protest.[7]

Es ist zu erwarten, dass auch für diesen Abschnitt eine Neuauslegung der Planunterlagen erfolgt.

PA 7 – Von der L 114 bei Elm bis zum Dreieck A 20/A 26 bei Drochtersen:

Für den Abschnitt 7 liegt seit dem 19.2.2016 der Gesehenvermerk vor. Das Planfeststellungsverfahren ist noch nicht eröffnet.

Planungsstand des Elbtunnels

Der Elbtunnel zwischen Drochtersen in Niedersachsen und Glückstadt in Schleswig-Holstein wird bei den Planungsbehörden als eigenständiges Projekt geführt.

Der niedersächsische sowie der schleswig-holsteinische Teil des Elbtunnels standen schon im alten BVWP von 2003 im sog. „Vordringlichen Bedarf“. Für beide Tunnelabschnitte ist ein Planfeststellungsbeschluss ergangen. Beide Planfeststellungsbeschlüsse wurden von Umweltverbänden, Gemeinden, Unternehmen, Landbesitzern und Privatpersonen beklagt.

Zum Elbtunnelabschnitt in Schleswig-Holstein liegt seit dem 28.4.2016 ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vor:

Das Gericht erklärte den Planfeststellungsbeschluss für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“, da der Planungsbehörde ein „rechtlicher Fehler […] hinsichtlich des Gewässerschutzes unterlaufen“ ist.[8]

Die anderen Klagepunkte hat das Gericht abgewiesen. Zum Teil konnte das nur geschehen, weil die Beklagten – also die zuständige Planungsbehörde bzw. das Land Schleswig-Holstein – den vorliegenden Planfeststellungsbeschluss während der mündlichen Gerichtsverhandlung änderten.

Die Gemeinde Kollmar und der schleswig-holsteinische Landesnaturschutzverband haben beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eingelegt.

Über den niedersächsischen Teil des Elbtunnes verhandelte das BVerwG am 10.11.2016. Das Gericht hat die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss abgewiesen.[9] Diese Entscheidung wurde u. a. von den A-20-Gegnern heftig kritisiert:

„Dieses Urteil wurde nur möglich, weil das Gericht der Straßenbaubehörde erlaubte, vorliegende gravierende Planungsmängel während des laufenden Gerichtsverfahrens durch Ergänzungen und Zugeständnisse aus dem Weg zu räumen. […] Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies liegt mit seiner Einschätzung, dass der Planungsablauf für die Küstenautobahn A 20 durch das Gerichtsurteil nicht verzögert werde, vollkommen daneben: Das Gericht hat festgelegt, dass mit dem Bau des Elbtunnels erst begonnen werden darf, wenn für die anschließenden Abschnitte vollziehbare, nicht mehr beklagbare Planfeststellungsbeschlüsse vorliegen.“[10]

Die Kosten der A 20 (ohne Planungskosten)

Die Kosten des Gesamtprojektes inklusive Elbtunnel und der schleswig-holsteinischen Teilstücke bis zur A 23 bei Hohenfelde belaufen sich laut BVWP 2030 auf 2.588,9 Mio. Euro.[11]

Der Bundesrechnungshof hat deutliche Kritik an den Berechnungen des Nutzen-Kosten-Verhältnisses (NKV) insbesondere der Straßenbauprojekte im BVWP 2030 geübt:

„Das Ziel des BMVI, die Kostenermittlungen der von den Ländern gemeldeten Straßenbauprojekte zu plausibilisieren, um deren Verlässlichkeit zu verbessern, wurde insgesamt nicht erreicht. Damit sind auch die NKV der Projekte weder verlässlicher noch besser untereinander vergleichbar.“ [12]

Es ist mithin davon auszugehen, dass die A 20 deutlich teurer ist als im BVWP angegeben. Realistisch ist es, die Kosten der niedersächsischen A 20 inklusive Elbtunnel ohne die schleswig-holsteinischen Teilstücke auf 6,6 Milliarden Euro zu beziffern – also auf mehr als das Doppelte.[13]

Überblick über die bisherige Planung 2003 bis 2010

2010: Linienbestimmung und Umbenennung der A 22 in A 20 aus planungstaktischen Gründen

2009: Landesplanerische Feststellung

2007: Beginn des Raumordnungsverfahrens

2005: Beginn der Planung

2003: A 22 (heute: A 20) im „weiteren Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplans 2003 (Planungsrecht und besonderer naturschutzfachlicher Planungsauftrag)


Quellen:

[1] NLStBV: Küstenautobahn A 20. Aktueller Planungsstand, 8.11.2016 (http://www.strassenbau.niedersachsen.de/projekte/grosse_einzelprojekte/kuestenautobahn_a_20/aktueller_planungsstand/aktueller-planungsstand-78624.html) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[2] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastrukur (BMVI): Zusammenfassung des BVWP 2030 (3.8.2016), S. 117 (https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/BVWP/bvwp-2030-kabinettsplan.pdf?__blob=publicationFile) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[3] BMVI: Projektinformationssystem (PRINS) zum Bundesverkehrswegeplan 2030. Gesamtprojekt A20-G10-NI-SH (http://www.bvwp-projekte.de/strasse/A20-G10-NI-SH/A20-G10-NI-SH.html) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[4] NLStBV: Küstenautobahn A 20. Aktueller Planungsstand, 8.11.2016 (http://www.strassenbau.niedersachsen.de/projekte/grosse_einzelprojekte/kuestenautobahn_a_20/aktueller_planungsstand/aktueller-planungsstand-78624.html) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[5] Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV): A 20: Planunterlagen für den 1. Abschnitt zwischen Westerstede und Jaderberg werden erneut öffentlich ausgelegt. Presseinformation, 28.11.2016 (http://www.strassenbau.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/a-20-planunterlagen-fuer-den-1-abschnitt-zwischen-westerstede-und-jaderberg-werden-erneut-oeffentlich-ausgelegt-148201.html) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[6] Facebookseite „A22-Nie“ (https://www.facebook.com/152829418077260/photos/a.236920733001461.82295.152829418077260/1622831661077021/?type=3&theater) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[7] Straßenbaubehörde ignoriert wichtige Bedenken. In: A 22-nie.de, 7.6.2016 (http://wp.a22-nie.de/2016/06/07/strassenbaubehoerde-ignoriert-wichtige-bedenken/) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[8] Bundesverwaltungsgericht: Elbtunnel A 20: Planungsfehler festgestellt – Klagen dennoch weitgehend ohne Erfolg. Pressemitteilung Nr. 35/2016, 28.4.2016 (http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2016&nr=35) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[9] Bundesverwaltungsgericht: Klagen gegen den niedersächsischen Teil des Elbtunnels der A 20 ohne Erfolg. Pressemitteilung Nr. 93/2016, 10.11.2016 (http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2016&nr=93) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[10] Klarstellung: Elbquerung darf doch nicht gebaut werden. In: A 22-nie.de, 10.11.2016 (http://wp.a22-nie.de/2016/11/10/klarstellung-elbquerung-darf-noch-nicht-gebaut-werden/) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[11] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastrukur (BMVI): Zusammenfassung des BVWP 2030 (3.8.2016), S. 117 (https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/BVWP/bvwp-2030-kabinettsplan.pdf?__blob=publicationFile) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[12] Bundesrechnungshof: Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Plausibilisierung von Investitionskosten von Straßenbauprojekten zur Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans 2030. GZ.: V3-2015-5056/III, 23.3.2016, S. 3 (https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/beratungsberichte/langfassungen/langfassungen-2016/2016-bericht-plausibilisierung-der-investitions-kosten-von-strassenbauprojekten-zur-aufstellung-des-bundesverkehrswege-plans-2030-pdf) (Abrufdatum: 7.1.2017)

[13] Schutzgemeinschaft ländlicher Raum Nord-West e. V./Verkehrsclub Deutschland e. V., Landesverband Niedersachsen (Hrsg.): Kompendium Autobahn A 20 von Westerstede bis Drochtersen (http://www.kompendium-a20.de/index.html) (Abrufdatum: 7.1.2017)

2 Kommentare

  • Hallo Sascha,
    da kann ich dir nur zustimmen! Nach wie vor wird Politik hierzulande zu oft als „die Durchsetzung wirtschaftlicher Zwecke mit Hilfe der Gesetzgebung“ verstanden, wie Tucholsky schon 1919 konstatierte. Aber dennoch müssen wir „die da oben“ so lange aufmerksam machen, bis sie nicht mehr umhin können, etwas zu merken. Es gibt in der Tat vielerorts genügend Alternativen zum Bau neuer Autobahnen.

  • Der Bund kann jetzt schon nicht alle seine Autobahnen reparieren bzw. Instandhalten. Aber will schon wieder neue Autobahnen bauen.
    Merken die Oben noch was.
    Ich dachte immer wir wollten weg von der Autobahn.
    Alternativen gibt es zu genüge z.b Binnenschifffahrt,Bahn usw.

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