A 20: Bundesverkehrswegeplan – Niedersachsen wünscht sich was!
Niederschmetternder Lesestoff für Autobahnfreunde

Landauf, landab liest man ja heute sehr viel über die Position der A 20 im Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans. Die A 20 habe höchste Dringlichkeit – heißt es. Die A 20 werde nun gebaut – heißt es. Ihre Finanzierung sei gesichert – heißt es.

Liebe Autobahnfreunde, wollt ihr uns auf den Arm nehmen? Oder gar für dumm verkaufen?

Wollen wir sie nicht lieber mal genau lesen, die Liste der Bauprojekte im Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans 2030?

Ich finde, das ist eine gute Idee!

Seit gestern ist der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 für jeden im Internet einsehbar.

Schauen wir ihn also mal an:

Er hat ein hübsches, blaues Titelblatt. Oben steht: „Bundesverkehrswegeplan 2030“. Rechts darunter prangt ein weißer Stempel, da steht in großen Lettern: „Entwurf März 2016“.

Den kann man ja eigentlich nicht übersehen, diesen Stempel, zumal er eine wichtige Botschaft übermittelt: Das ganze, stolze 186 Seiten lange Werk des Bundesverkehrsministeriums ist nicht mehr als ein ENTWURF. Dieser Entwurf ist KEIN Beschluss. Er ist KEIN Finanzierungsplan. Er ist eine WUNSCHLISTE der Bundesländer. Und er geht jetzt erst einmal in die Öffentlichkeitsbeteiligung, bevor er eine lange Reise durch viele Diskussionen und Debatten antritt …

Blättern wir mal im Entwurf:

Auf Seite 114 beginnt die Liste mit den niedersächsischen Bauprojekten. An erster Stelle stehen die „laufenden und disponierten Projekte“. In diese oberste und dringlichste Kategorie sind Projekte gekommen, an denen schon gebaut wird oder deren Finanzierung schon gesichert ist (vgl. BVWP-Entwurf, S. 36). Diese Projekte können sich sozusagen entspannt zurücklehnen und müssen sich keine ernsthaften Sorgen mehr machen. Die A 20 ist dort NICHT zu finden.

An zweiter Stelle folgt die Liste mit den neuen Bauvorhaben. Darin wird zwischen dem „Vordringlichen Bedarf-Engpassbeseitigung“ (VB-E) und dem „Vordringlichen Bedarf“ (VB) unterschieden.

Bauprojekte, die ein „E“ bekommen haben, sollen vordringlich behandelt werden. Sie tragen, so schreibt das Bundesverkehrsministerium, „in besonderem Maße zur Beseitigung von Engpässen bei“ (BVWP-Entwurf, S. 36). Außerdem müssen sie wirtschaftlich sein – also ein hohes Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) vorweisen –, dürfen aber keine drastischen Umweltauswirkungen mit sich bringen (ebd.).

Fünf niedersächsische Autobahnprojekte aus dem vordringlichen Bedarf haben ein solches „E“ bekommen. Die A 20 ist NICHT dabei.

Die Projekte, die ein „E“ haben, könnten der A 20 auch böse in die Quere kommen, denn für kein einziges von ihnen liegt ein Planfeststellungsbeschluss (eine Baugenehmigung) vor. Für drei von ihnen hat noch nicht einmal die Planung begonnen. Diese Planung der VB-E-Projekte soll nun aber vorrangig betrieben werden. Dazu schreibt das Bundesverkehrsministerium:

„Bei den neuen Ausbauprojekten, die als VB-E gekennzeichnet sind, handelt es sich zum überwiegenden Teil um Projekte, die sich noch in einem frühen Planungsstadium befinden und deren Realisierung erst nach Durchlaufen verschiedener Planungsstufen möglich sein wird. Für eine prioritäre Umsetzung der VB-E-Projekte ist eine vorrangige Planung erforderlich. Für die Planung der VB-Projekte insgesamt wird eine Erhöhung der Planungskapazitäten erforderlich sein.“ (BVWP-Entwurf, S. 37)

Das heißt im Klartext: Die niedersächsischen Planungsbehörden müssen sich jetzt erst einmal um diese VB-E Projekte kümmern. Da bleibt nicht viel Zeit und Personal für die A 20 und ihre Kollegen „ohne E“ übrig.

Da ist sie ja endlich, die A 20!

Nun endlich, in der dritten Dringlichkeitsstufe, dem schlichten „Vordringlichen Bedarf“ ohne „E“, finden wir die A 20 (vgl. BVWP-Entwurf, S. 115). Dort tummelt sie sich mit neun weiteren Autobahnprojekten aus dem Land Niedersachsen.

Sehen wir uns ihren Listeneintrag mal genauer an:

Die A 20  führt, so steht es in der Liste, vom Autobahndreieck A 28/Westerstede bis nach Hohenfelde (A 23) mit A 26. – Moment! – Hohenfelde? Wieso Hohenfelde? Hohenfelde liegt in Schleswig-Holstein! Was hat ein schleswig-holsteinischer Autobahnabschnitt auf der Wunschliste von Niedersachsen zu suchen?

Das werden die Autobahngegner herausfinden, sobald die Öffentlichkeitsbeteiligung gestartet ist und die Daten im Projektinformationssystem zugänglich sind. Das Ganze ist jedenfalls sehr eigentümlich …

Durch diese seltsame Verlängerung nach Schleswig-Holstein hinein ist die A 20 plötzlich um rund 40 km länger geworden: 161 km Länge hat die Trasse nun.

Ihre Gesamtkosten werden mit 2.588,9 Millionen Euro beziffert. Das sind knappe 2,6 Milliarden Euro. Lustig! In diesen Baukosten muss dann ja scheinbar auch der Elbtunnel mit enthalten sein, wenn die niedersächsische A 20 bis nach Schleswig-Holstein reicht? Sehr lustig!

Ziehen wir doch mal die Zahlen aus einer Studie zu Rate, welche der CDU-Wirtschaftsrat in Auftrag gegeben hatte: Demnach kostet ein Kilometer Autobahn 26,8 Millionen Euro (vgl. Kompendium). Also dürfte die A 20 mit 160 km Länge 4.314,8 Millionen Euro kosten. Das sind rund 4,3 Milliarden Euro. Und in dieser Rechung sind die extrem hohen Kosten für ein Tunnelbauwerk noch gar nicht enthalten …

Es hat doch sehr den Anschein, als sei die A 20 wieder einmal schöngerechnet worden. Nur so kann sie offenbar ein Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) erzielen, dass sie nicht sofort gänzlich aus dem „vordringlichen Bedarf“ hinauswirft. Denn das NKV ist, so schreibt das Bundesverkehrsministerium, ein „[w]esentliches Priorisierungskriterium“, also ein zentrales Kriterium für die Einstufung eines Projektes im Bundesverkehrswegeplan (BVWP-Entwurf, S. 36).

Sehr viel hat es ihr aber nicht genützt, denn trotz aller trickreichen Rechenkünste hat die A 20 es nur auf ein jämmerliches NKV von 1,6 gebracht. Das ist das schlechteste Ergebnis aller niedersächsischen Autobahnprojekte, die im „vordringlichen Bedarf“ stehen. Spitzenkandidaten sehen wahrhaft anders aus, die haben ein NKV von > 10 …

Bei der umwelt- und naturschutzfachlichen Beurteilung ist bei der A 20 das Wort „hoch“ in die Liste eingetragen. Das klingt gut, ist aber sehr schlecht für die Autobahn. Es bedeutet, dass sie drastische negative Auswirkungen auf die Umwelt hat. Diese schlechte Note haben nicht viele der niedersächsischen Autobahnprojekte aus dem „vordringlichen Bedarf“ bekommen. Der A 20 wird sie sicherlich noch erhebliche Schwierigkeiten bereiten.

Nicht umsonst hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bereits heftige Kritik geübt, wie „RP Online“ berichtet:

„Wesentliche Umwelt-, Naturschutz- und Klimaschutzanforderungen würden im neuen Verkehrswegeplan noch nicht erfüllt. […] Vor allem müsse der Plan dazu führen, die Anforderungen des Klimaschutzes in den nächsten Jahrzehnten zu erfüllen. Die Treibhausgasemissionen aus dem Verkehrssektor stagnierten seit Jahrzehnten, während Industrie und Energieversorger schon wichtige Klimaschutz-Beiträge geleistet hätten.“

Wir nähern uns dem Ende des Listeneintrags der A 20. In der raumordnerischen Beurteilung kann sie endlich einen kleinen Lichtblick erhaschen, denn hier hat sie eine gute Einstufung bekommen. Projekte mit diesem Merkmal sollen dazu dienen, „Erreichbarkeitsdefizite zu mindern oder zu beseitigen“ (BVWP-Entwurf, S. 37)

Vermutlich ist die gute raumordnerische Beurteilung trickreich herbeigezaubert worden, um überhaupt eine – wenngleich fadenscheinige –  Rechtfertigung dafür zu finden, die A 20 irgendwie in den „vordringlichen Bedarf“ zu hieven. Auf diesen Punkt sollte man in der Öffentlichkeitsbeteiligung natürlich ein ganz besonderes Augenmerk legen, denn es ist davon auszugehen, dass auch er einer kritischen Überprüfung nicht standhalten wird.

Nun sind wir am Ende der A-20-Beurteilung angekommen. In der letzten Spalte der Liste sind noch Hinweise eingetragen. Hier wird die Raumordnung nochmals erwähnt. Ach ja, und die obligatorische Hinterlandanbindung der Seehäfen natürlich. Die soll dann wohl der Rettungsanker der A 20 sein. Die Autobahngegner werden ihn in der Öffentlichkeitsbeteiligung mitsamt der Autobahn zu versenken wissen!

Fazit: Tja, liebe Autobahnfreunde in Niedersachsen – es sieht ganz schön schlecht aus für euer Wunschprojekt A 20!

 


Quellen:

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Bundesverkehrswegeplan 2030. Entwurf März 2016 (Stand: 17.3.2015)

Bundesverkehrswegeplan – Umweltministerin Hendricks wirft Dobrindt „Trickserei“ vor. In: RP Online (Stand: 17.3.2016)

Kosten der Strecke. In: Kompendium Autobahn A 20 (Stand: 17.3.2016)

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