Autobahn A 20:
Von Ranglisten und Reichtümern

Am heutigen Samstag, 27.2.2016, berichtet die „Nordwest-Zeitung“ über den neuen Bundesverkehrswegeplan, dessen Vorlage für Mitte März anvisiert wird. Wie geübte NWZ-Leser kaum anders erwartet haben, spielt die Autobahn A 20 dabei eine titelgebende Rolle: „Küstenautobahn A 20 hat Vorrang“, so durften wir heute morgen lesen.

Liebe NWZ, was willst du uns denn damit eigentlich sagen?

Um die Aussage der Zeitung richtig einzuordnen, kann es nicht schaden, sich ein wenig mit dem Bundesverkehrswegeplan (BVWP) zu beschäftigen. Die Grundkonzeption dieses Plans wird in einer Veröffentlichung des Bundesverkehrsministeriums sehr anschaulich erläutert.

Demnach hat der neue BVWP drei unterschiedliche Dringlichkeitsstufen: Ganz oben auf der Rangliste steht der sog. „Vordringliche Bedarf plus“, dann folgen der „Vordringliche Bedarf“ und schließlich der „Weitere Bedarf“.

Um in die Königsklasse der Bauvorhaben, den „Vordringlichen Bedarf plus“ zu kommen, muss ein Autobahnprojekt ausgesprochen hohe Hürden überwinden:

  • Es muss Engpässe auf sehr stark überlasteten Strecken auflösen oder deutlich mindern.
  • Es darf die Umwelt nicht zu sehr in Mitleidenschaft ziehen.
  • Es muss ein gutes Nutzen-Kosten-Verhältnis aufweisen.

Hand aufs Herz, liebe NWZ – meinst du wirklich, dass die A 20 diese Hürden nehmen kann?

Ich glaube das nicht!

Der Elbtunnel beispielsweise gilt ja im allgemeinen als ein Kernstück der A 20. Doch sogar dieser Tunnel wird es aller Voraussicht nach nicht schaffen, auf der Rangliste der Bauvorhaben ganz nach oben zu kommen. Das musste selbst der Parlamentarische Staatssekretär und ausgewiesene Autobahnfreund Enak Ferlemann (CDU) im Dezember 2015 gegenüber der Presse zugeben.

Auch die A 20-Trasse selber wird schwerlich in den „Vordringlichen Bedarf plus“ kommen. Andreas Tietze, der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag, brachte es im Januar 2016 auf den Punkt: „Die Finanzierung der Elbquerung steht in den Sternen. Im neuen Bundesverkehrswegeplan wird die A 20 nicht einmal mehr im Vordringlichen Bedarf Plus stehen.“

Liebe NWZ, was meinst du also genau, wenn du von einem „Vorrang“ für die A 20 sprichst?

Wenn ich das richtig sehe, bleibt für die A 20 offensichtlich nur die Mittelklasse übrig, nämlich der deutlich schlichtere „Vordringliche Bedarf“. Im „Vordringlichen Bedarf“ des neuen Bundesverkehrswegeplanes werden sich wohl sehr viele Bauprojekte tummeln, denn natürlich haben sämtliche Bundesländer lange Wunschlisten eingereicht.

Aber man kennt das ja: Wunschträume aller Art zerschellen oft beim Kontakt mit der Realität. Meist sind sie aus Geldmangel nicht zu erfüllen. Schon der alte Bundesverkehrswegeplan, der 2003 aufgestellt worden ist und nun durch seinen Nachfolger ersetzt werden wird, litt an chronischer Unterfinanzierung.

Der Verband „Pro Mobilität“ schrieb dazu im August 2013: „Wenn künftig nicht mehr Geld zur Verfügung steht, wird es noch mindestens 70 Jahre dauern, bis die Fernstraßenprojekte des Bundesverkehrswegeplans 2003 vollständig finanziert sein werden.“ Die Verwirklichung aller Projekte, die im Jahr 2013 über das Planungsrecht verfügten, hätte 51,7 Milliarden Euro gekostet. Tatsächlich standen von 2013 bis 2016 aber nur durchschnittlich 741 Millionen Euro pro Jahr bereit.

Nach dieser Rechnung fehlten dem nun ablaufenden Bundesverkehrswegeplan also 48,7 Milliarden Euro zu seiner Umsetzung. Ein stolzes Sümmchen!

Warum sollte es den Projekten aus dem „Vordringlichen Bedarf“ des neuen Bundesverkehrswegeplans besser ergehen als ihren Vorgängern? Am Ende werden viele von ihnen nicht mehr sein als eine schillernde Seifenblase, denn das Geld für ihren Bau wird fehlen.

Fazit: Es lohnt sich immer, die Dinge genauer zu betrachten!

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