A 20: Was die Häfen wirklich wünschen
Lektüretipps für den Verkehrsminister

Niedersachsens Verkehrminister Olaf Lies (SPD) wird nicht müde, immer und immer wieder auf die angebliche Bedeutung der A 20 für die Hinterlandanbindung der Häfen hinzuweisen, so z. B. recht aktuell in einem Interview der „Nordwest-Zeitung“ vom 17.3.2016.

Auf die Frage, welche wirtschaftlichen Vorteile die A 20 dem Nordwesten bringe, hat Minister Lies folgende Antwort gegeben: „Wir brauchen eine starke Vernetzung der Häfen miteinander. Wir reden immer von einem nationalen Hafenkonzept, aber ohne eine Vernetzung auf der Straße kann das Ganze nicht funktionieren. Und: Die Küstenautobahn ist zusätzlich eine äußerst wichtige Westtangente international – mit Blick auf die deutschen Seehäfen.“[1]

Der niedersächsische Verkehrsminister spricht hier also drei Punkte an:

  • ein nationales Hafenkonzept
  • die Vernetzung der Häfen untereinander, wobei er die Bedeutung der Straßenverbindung zwischen den Häfen hervorhebt
  • die Bedeutung der A 20 als internationale Verbindung der deutschen Seehäfen

Nehmen wir diese Aussagen des Ministers mal genauer unter die Lupe!

Nun, es mag ja sein, dass der niedersächsische Verkehrsminister oft und gern von einem nationalen Hafenkonzept redet – ich bevorzuge es, auch einmal in diesem Hafenkonzept zu lesen. Es ist nämlich bereits vorhanden. Die Bundesregierung hat es veröffentlicht. Es ist im Internet für jeden einsehbar.

Das nationale Hafenkonzept der Bundesregierung hat sehr genaue Vorstellungen davon, wie die nationale und internationale Vernetzung der deutschen Seehäfen aussehen soll.

Unmissverständlich fordert es:

  • „die Verlagerung von Güterverkehren auf Schiene und Wasserstraße“[2]
  • „die Entwicklung eines Kernnetzes von Binnenhafenstandorten, Güterverteilzentren und Rangierbahnhöfen, die die Funktionen der Seehäfen als wesentliche Glieder des Außenhandels ergänzen und unterstützen können“ und
  • „die Schaffung von Infrastrukturkorridoren über die See- und Binnenhäfen“[3]

Kurzum: Mit dem nationalen Hafenkonzept will die Bundesregierung „Transport und Logistik so effizient, betriebswirtschaftlich rentabel und umwelt- und klimaverträglich wie möglich“ gestalten.[4]

Die Häfen selber sehen das übrigens genauso!

Beispiel Hamburger Hafen:

Unter dem Titel „Hamburg hält Kurs“ hat der der Hamburger Hafen einen „Hafenentwicklungsplan bis 2025“ herausgegeben. Dort heißt es:

„Unter den zur Verfügung stehenden Transportmitteln Bahn, Binnenschiff und Lkw haben die beiden ersten nicht nur wirtschaftliche Vorteile gegenüber dem Lkw, sondern besitzen auch die größeren Kapazitätsreserven und sind umwelt- und klimapolitisch vorteilhafter.“[5]

Im Internetauftritt des Hamburger Hafens ist zum Thema Hinterlandanbindung folgendes zu lesen:

„Rund 45 Prozent der Güter werden per Bahn transportiert, 12 Prozent per Binnenschiff und 43 Prozent per Lkw. Damit löste die Bahn 2015 den Lkw als wichtigstes Transportmittel im Hinterlandverkehr ab.“[6]

Der LKW ist, auch dies schreibt der Hamburger Hafen, nur „im Nahbereich (unter 150 Kilometer)“ und „für kurze Distanzen“ der „bedeutendste Verkehrsträger“.[7]

So ist es nicht verwunderlich, dass die Autobahn A 20 auf der Wunschliste des Hamburger Hafens den letzten Platz einnimmt: Mit Ausnahme der Elbquerung – deren Finanzierung nach wie vor vollkommen ungesichert ist – ist sie das 16. von 16 Infrastrukturprojekten, welche die Hamburger gern verwirklichen würden.[8]

Beispiel Bremen und Bremerhaven:

Auch die Häfen Bremen und Bremerhaven haben ein „Hafenkonzept 2020/2025“ vorgelegt. Die Bremer und Bremerhavener setzen hinsichtlich der Hinterlandanbindung die gleichen Schwerpunkte wie die Hamburger:

„Mittlerweile ist es ein von nahezu allen Seiten erklärtes Ziel, die Hinterlandverkehre möglichst leise, sauber und energieeffizient, d. h. klimafreundlich abzuwickeln. Die Binnenschifffahrt weist dabei, gefolgt von der Eisenbahn und gemessen an ihrer Transportleistung, unter allen Verkehrsträgern den niedrigsten spezifischen Energieverbrauch und damit die geringsten umweltschädlichen CO2-Emissionen auf. Hinterlandverkehrsbedingte Emissionen von Klimagasen sollten daher grundsätzlich durch einen verstärkten Einsatz von Binnenschiffen und Eisenbahnen reduziert werden.“[9]

Die Statistiken der bremischen Häfen sprechen dafür, dass sie diesen zukunftsträchtigen Weg bereits eingeschlagen haben:

„Der Schienenverkehr erreichte sowohl bei den Marktanteilen als auch beim absoluten Aufkommen Höchstwerte.“[10]

So erhöhte sich der Anteil des Schienenverkehrs am Gütertransport von 37,3% im Jahr 2005 auf 46,8 % im Jahr 2014. Ein ähnliches Bild bieten die Binnenwasserstraßen, deren Anteil von 2,6 % im Jahr 2005 auf 3,9 % im Jahr 2014 anstieg. Die Straße hat gegenüber diesen Verkehrsträgern schlechte Karten, den ihr Anteil am Gütertransport sank von 60,1% im Jahr 2005 auf 49,3 % im Jahr 2014.[11]

Hinzu kommt, dass die Häfen Bremen und Bremerhaven sich ausdrücklich als „traditionelle Eisenbahn-Häfen“ verstehen.[12]

Was ist den Häfen wirklich wichtig?

Sowohl der Hamburger Hafen als auch die bremischen Häfen setzen hinsichtlich ihrer Hinterlandanbindungen offensichtlich ganz andere Prioritäten als Verkehrsminister Lies und sein Kollege in Berlin, Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU).

Alle drei Häfen fordern übereinstimmend, dass der Bund neben den Binnenwasserstraßen vordringlich in Schienenverbindungen investiert. Der Gütertransport per LKW ist für sie lediglich auf kurzen Regionalstrecken interessant und rentabel. Auf nationalen und insbesondere auf internationalen Handelswegen sind Schiffe oder Züge ihre Transportmittel der Wahl.

Die im Vergleich mit Schiff und Schiene weitaus nutzlosere A 20 hat es dennoch geschafft, aufgrund ihrer nur angeblich vorhandenen Bedeutung für die Hinterlandanbindung  in den „vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplan-Entwurfs eingestuft zu werden.

Merkwürdig, nicht wahr?

Noch merkwürdiger wird das Ganze, wenn man sich vor Augen hält, dass die Bundesregierung sehr wohl um ihre Kassenlage weiß. Nicht umsonst schreibt sie in ihrem nationalen Hafenkonzept, dass jedes Infrastrukturprojekt, welches der Bund bezahlen soll, auch Sinn machen muss:

„Ungeachtet des vorgenommenen Investitionshochlaufs muss auf einen zielgerichteten Umgang mit den knappen Finanzmitteln geachtet werden.“[13]

Nach der Lektüre der Hafenkonzepte ist es noch unverständlicher als je zuvor, warum Verkehrsminister Lies immer wieder gebetsmühlenartig die angeblich überragende Bedeutung der A 20 für die Hinterlandanbindung der deutschen Seehäfen hervorhebt und wie sie im „vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplan-Entwurfs landen konnte.

Wenn es um die nationale und internationale Vernetzung der Häfen geht, setzen sowohl die Bundesregierung als auch die Häfen selbst eindeutig auf Wasserstraßen und Schienenverbindungen.

Nicht primär auf Autobahnen.

Und schon gar nicht auf die A 20.

 


Quellen:

bremenports GmbH & Co. KG: Eine leistungsstarke Verbindung. Bremische Hafeneisenbahn (Stand: 29.3.2016)

bremenports GmbH & Co. KG: Per Lkw, Binnenschiff oder Zug ins Hinterland. Container-Hinterlandverkehr (Stand: 29.3.2016)

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Bundesverkehrswegeplan 2030. Entwurf März 2016 (Stand: 29.3.2016)

Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen/bremenports GmbH & Co. KG: Fortschritt. Richtung. Zukunft. Hafenkonzept 2020/25 Bremen/Bremerhaven

Die Bundesregierung: Nationales Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen 2015 (Stand: 29.3.2016)

Finanzierung für Küstenautobahn gesichert. Interview, NWZ, 17.3.2016 (Stand: 29.3.2016)

Freie und Hansestadt Hamburg – Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation/Hamburg Port Authority: Hamburg hält Kurs. Der Hafenentwicklungsplan bis 2025 (Stand: 29.3.2016)

Hafen Hamburg Marketing e. V.: Flexible und schnelle Lkw-Verkehre (Stand: 29.3.2016)

Hafen Hamburg Marketing e. V.: Leistungsstarke Hinterlandanbindungen per Bahn, Binnenschiff und Lkw (Stand: 29.3.2016)

 

Zitatnachweise:

[1] http://www.nwzonline.de/interview/finanzierung-fuer_a_6,1,1156932485.html

[2] Nationales Hafenkonzept, S. 40

[3] Nationales Hafenkonzept, S. 41

[4] Nationales Hafenkonzept, S. 38

[5] Hamburg hält Kurs, S. 24

[6] https://www.hafen-hamburg.de/de/hinterland

[7] https://www.hafen-hamburg.de/de/flexible-und-schnelle-lkw-verkehre

[8] vgl. Hamburg hält Kurs, S. 25

[9] Fortschritt, S. 78

[10] http://www.bremenports.de/standort/statistiken/hinterlandverkehr

[11] vgl. http://www.bremenports.de/standort/statistiken/hinterlandverkehr

[12] http://www.bremenports.de/standort/bremische-hafeneisenbahn/unternehmen

[13] Nationales Hafenkonzept, S. 20

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