A 20: Die Mär vom Hinterland
Pro-A-20-Studie belegt: Windiger Vorwand hievt A 20 in den Bundesverkehrswegeplan

Seit heute ist die Bewertung der Bauprojekte, die im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 stehen, für jeden im Internet einsehbar – Grund genug, einen Blick auf die niedersächsische A 20 zu werfen.

Man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen, dass die A 20 zwar in den „vordringlichen Bedarf“ eingestuft worden ist, aber eben nicht in den „vordringlichen Bedarf Engpassbeseitigung“. So steht die A 20 im Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans nur in der dritten Kategorie.

Immerhin hat sie es geschafft, mühsam aus dem „weiteren Bedarf“ herauszuklettern, wo der alte Bundesverkehrswegeplan von 2003 sie noch ganz richtig gesehen hatte.

Wie hat die A 20 das geschafft?

Im „Projektinformationssystem (PRINS) zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030“ ist folgende „Begründung der Dringlichkeitseinstufung“ angegeben:

„Es erfolgt eine Einstufung in die Dringlichkeitskategorie ‚Vordringlicher Bedarf’, weil […] das Vorhaben wegen der Hinterlandanbindung der Seehäfen und hoher raumordnerische[r] Wirkungen bedeutsam ist.“

Die Hinterlandanbindung ist also ein wichtiger Rettungsanker für das Bauprojekt A 20. Aber es handelt sich um einen sehr rostigen Anker, der viel zu marode ist, um die A 20 auf ihrer Position zu halten. Selbst A 20-Befürworter können den Nutzen der geplanten Trasse für die Hinterlandanbindung nämlich nicht begründen, so gern sie das auch möchten.

Verzweifelt gesucht: Stichhaltige Gründe für den Nutzen der A 20

Der Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20 (KOK) hat im Juni 2011 eine Studie zum Thema Hinterlandanbindung herausgegeben. Diese Studie zeigt, dass die A 20 keinen bzw. allerhöchstens einen marginalen Nutzen für die Hinterlandanbindung hat: Lediglich der verschwindend geringe Anteil von 4% der Güterströme ins Hinterland könnte über die A 20 (A 22) abgewickelt werden.

Mit dieser Studie haben die Gegner der Autobahn mitten ins Schwarze getroffen. Die Befürworter der A 20 wussten sich gegen die ausgezeichneten Argumente der Studie nicht zu helfen und sahen ihre Felle davonschwimmen.

In dieser ausweglosen Situation gaben der „Förderverein Pro A 20 e. V.“ sowie der „Förderkreis Feste Unterelbquerung e. V.“ ein Gutachten über die Studie in Auftrag. So hat das „Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik“ (ISL) die Argumente und Ergebnisse der Bürgerinitiativen kritisch untersucht und überprüft.

Das Ergebnis dieses Gutachtens muss für die Autobahnlobby wahrhaft deprimierend gewesen sein: Selbst dem ISL ist keine stichhaltige Begründung dafür eingefallen, wie die A 20 der Hinterlandanbindung der Seehäfen dienen könnte.

Lesen wir, was das ISL zu schreiben weiß!

Schon auf der ersten Seite des ISL-Gutachtens wird sehr deutlich, dass es erheblich in der Klemme steckt. Es kann den Nutzen der A 20 für die Hinterlandanbindung nicht belegen. Dabei verweist es sogar noch auf eine weitere Studie, die zu dem gleichen Ergebnis gekommen ist:

„Bereits in einer Studie aus dem Jahr 2003 hat das ISL gemeinsam mit der BVU Beratergruppe Verkehr + Umwelt GmbH, Freiburg, gezeigt, dass die Nutzung der Küstenautobahn nur zu einem kleinen Teil durch die Hinterlandverkehre determiniert wird.“ (ISL-Gutachten, S. 1)

Diese Kernaussage wird im Gutachten des ISL mehrfach wiederholt. Auf das Ergebnis der KOK-Studie – dass die A 20 nämlich keinen Nutzen für die Hinterlandanbindung der Häfen hat –  weiß das ISL keine andere Antwort als diese: Die A 20 diene ja schließlich „nicht nur den Häfen als Hinterlandanbindung“. (ISL-Studie, Seite 2; vgl. auch Seite 15)

Das ISL muss also auf andere Argumente ausweichen, weil die Hinterlandanbindung der Häfen als Begründung für den Bau der A 20 schlicht nicht zu halten ist und nicht genügt.

Immer wieder muss das ISL auf diese Ausweichstrategie zurückgreifen:

„Gegenstand der zu überprüfenden Studie [der Bürgerinitiativen] ist, wie der Titel es besagt, die Nutzenanalyse der Funktion als Hinterlandanbindung der Seehäfen der Küstenautobahn A20/22. Wenn man es aber genau betrachtet, hat die A22 noch viele weitere Nutzen […].“ (ISL-Studie, Seite 5)

„Richtigerweise wird in der Studie [der Bürgerinitiativen] festgestellt, dass die Hauptverkehre aus den Häfen nach Süden und Südosten gehen. Diese würden somit nahezu überhaupt nicht die geplante A22 nutzen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es noch weiteren Wirtschaftsverkehr gibt […].“ (ISL-Studie, Seite 7)

Ein schönes Eigentor!

Die Krönung dieser Ausweichstrategie ist folgender Vorwurf, den das ISL gegen die Studie der Bürgerinitiativen erhebt:

„Der wesentlichste Aspekt aber, der die Aussagekraft der zu untersuchenden Studie stark einschränkt, jedoch ist ihre Fokussierung der Nutzen auf den Hinterlandverkehr.“ (ISL-Studie, Seite 14)

Wie bitte???

Einer Studie zum Thema Hinterlandverkehr wird vorgeworfen, dass sie sich mit dem Hinterlandverkehr beschäftigt?

Ja, womit den sonst??

Eine Studie zum Thema Butterblumen beschäftigt sich ja auch mit Butterblumen – und nicht mit Schneeglöckchen.

Diese Aussage, die das ISL im Auftrag der A-20-Lobby getroffen hat, ist eines der schönsten und amüsantesten Eigentore überhaupt!

Zahlen helfen auch nicht weiter!

Vereinzelt trifft das ISL-Gutachten Aussagen, die sich tatsächlich auf die Hinterlandanbindung der Seehäfen beziehen. Dabei greift es auf Verkehrsprognosen und Zahlen zurück.

Diese Zahlen sind aber keine guten Zahlen für Autobahnfreunde:

„Schon in der Studie von 2003 wurde für 2020 prognostiziert, dass nur knapp 6,5% aller anfallenden Straßengüterfernverkehre Hinterlandverkehre sind.“ (ISL-Studie, Seite 14)

Das ist wahrhaft bitter für die A-20-Lobby, denn es bedeutet, dass der Nutzen der A 20 für die Hinterlandanbindung auch mit der hohen Kunst des Rechnens einfach nicht zu belegen ist.

Was bedeutet das Ganze für die Einstufung der A 20 im Bundesverkehrswegeplan?

Die Begründung für die Einstufung der A 20 im „vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplan-Entwurfs ist hinfällig.

Diese Einstufung verdankt sich vor allem dem angeblichen Nutzen der A 20 für die Hinterlandanbindung der Seehäfen.

Doch selbst ein Gutachten der Autobahnlobby hat es nicht vermocht, den Nutzen der A 20 für die Hinterlandanbindung stichhaltig und ausreichend zu begründen.

Wenn Vernunft und Logik bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans irgend einen Wert haben (und davon wollen wir doch ausgehen), dann kann man daraus nur schließen: Die A 20 wird Schiffbruch erleiden und versinken!

 


Quellen:

Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL): Einordnung der Studie „Küstenautobahn A 22/20 – Nutzenanalyse ihrer Funktion als Hinterlandanbindung der Seehäfen“ des Koordinationskreises der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 22/20. September 2011 (Stand: 21.3.2016)

Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A22/20: Küstenautobahn A 22/20. Nutzenanalyse ihrer Funktion als Hinterlandanbindung der Seehäfen. Juni 2011 (Stand: 21.3.2016)

Projektinfo A20-G10-NI-SH A 20 AD A28/A20 (Westerstede) – Hohenfelde (A 23) mit A 26. In: Projektinformationssystem (PRINS) zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 (Stand: 21.3.2016)

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